Massen gegen Mauerbau mobilisiert

Wie DGB und FDGB auf die Teilung Berlins reagierten

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) war empört darüber; der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) verteidigte die Maßnahme. Nachdem die DDR am 13. August 1961 Berlin durch Sperren zweigeteilt hatte, war die Reaktion der Arbeitnehmerorganisationen in West- und Ostdeutschland ebenfalls zweigeteilt. Am Mauerbau schieden sich die Gewerkschaftsführungen.

Während die Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) viele durch Zurückhaltung enttäuschte, als die DDR ihre Bürger zu Gefangenen machte, engagierten sich die bundesdeutschen Gewerkschaften unverzüglich und stark. Schon am 14. August reiste der DGB-Vorsitzende Willi Richter nach Berlin, um mit dem Landesbezirksvorstand über die neue Situation zu beraten. Für den nächsten Tag, einen Dienstag, forderte der DGB-Bundesvorstand eine Verkehrs- und Arbeitsruhe als Protest gegen die "Schandmauer". Der DGB Berlin rief zu einer Kundgebung am 16. August 1961 auf, über 300.000 Menschen nahmen daran teil.

Den Boykott der Berliner Stadtbahn verlangte der DGB-Landesbezirk am 17. August 1961. "Jeder West-Berliner S-Bahnfahrer bezahlt den Stacheldraht am Brandenburger Tor!", warnten die Gewerkschafter. Die S-Bahn wurde von der DDR-Reichsbahn betrieben. Täglich benutzten sie im Westen der geteilten Stadt eine halbe Million Menschen. Der DGB hatte Erfolg, 400.000 stiegen um. Zeitweise wurden als Ersatz Busse von westdeutschen Nahverkehrsunternehmen eingesetzt.

Aktiv gegen die Mauer kämpften die westdeutschen Gewerkschaften nicht nur wenige Tage. Am 22. und 23. August 1961 beschlossen der DGB-Bundesvorstand und der Bundesausschuss, das höchste Gremium zwischen den DGB-Kongressen, auf einer Sondersitzung ein umfangreiches Sofortprogramm: Den Berliner Kolleginnen und Kollegen sollte schnell geholfen werden – mit Geld und mit anderer handfester Unterstützung; Schriften und Aktionen zur Aufklärung über die Probleme des geteilten Deutschlands und vor allem Berlins waren geplant. Weltweit informierten die bundesdeutschen Gewerkschaften. Auf Einladung des DGB erlebten bis zum Jahresende 237 führende Vertreter von ausländischen Arbeitnehmerorganisationen in der Stadt aus nächster Nähe die Barbarei der Grenzziehung.

Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) unterstützte den DGB tatkräftig. Höhepunkt war eine Kundgebung des IBFG am 27. Oktober 1961 in der Berliner Kongresshalle. "Die Arbeiter der freien Welt stehen zu Berlin", lautete das Motto. Der Präsident der USA, John F. Kennedy, bekannte in einem schriftlichen Gruß zu dieser Veranstaltung, "daß die Gewerkschaften in der freien Welt das Bollwerk des persönlichen Rechts, die Stimme des Gewissens und das lebende Beispiel sind, daß freie Menschen über ihr Geschick selbst bestimmen können".

Während sich im Westen Deutschlands der DGB anstrengte, zum Fall der Mauer beizutragen, bemühte sich im Osten der FDGB eifrig, für die Grenzziehung bei seinen Mitgliedern Verständnis zu wecken. Bereits am Morgen des 13. August 1961 demonstrierte der Bundesvorstand des FDGB der DDR-Regierung Vasallentreue: "Die Gewerkschaften betrachten diese Maßnahme als weiteren wirksamen Schritt zur Sicherung des Friedens in Deutschland und zur Bändigung des westdeutschen Militarismus durch die Festigung der Deutschen Demokratischen Republik." Zugleich forderte der FDGB "alle Werktätigen zu noch höherer Wachsamkeit auf, um jedem Anschlag des Klassenfeindes mit harter Arbeiterfaust zu begegnen". Am 13. August noch und in den folgenden Tagen schwärmten die FDGB-Funktionäre in die Betriebe aus, um die Arbeitnehmer von der Notwendigkeit eines "antifaschistischen Schutzwalls" zu überzeugen. Auf einer Gewerkschaftsversammlung in der "Schwarzen Pumpe" fasste der FDGB-Vorsitzende Herbert Warnke am 16. August 1961 zusammen, wie die Aktionen zur Abschottung der DDR-Bürger beurteilt werden sollten: "Besonders die Arbeiterklasse, aber auch die ganze friedliebende Bevölkerung, begrüßt diese Maßnahmen. ... Die Fronten sind klar und eindeutig. Die Klassenfront der Arbeiter steht der Klassenfront der Militaristen gegenüber." Für den DGB waren die Fronten nicht eindeutig. Den in Ost-Berlin und in der Sowjetzone wohnenden Mitgliedern von Gewerkschaften im DGB wurde mitgeteilt, dass ihre Mitgliedschaft mit allen Rechten erhalten bliebe.

Astrid Brand, 2001
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